In jedem kultivierten Städtchen wäre man sensibler vorgegangen und hätte klug und ansprechend restauriert, um die hier vom Krieg verschonte, aber später etwas verlotterte historische Substanz wieder sichtbar zu machen.
Unser Haus, eines der regional herausragenden Barock-Bürgerhäuser, von Land und Denkmalstiftung gefördert, stand auch schon mal auf der Liste der zu ersetzenden „Altsubstanz“, aber das war wohl doch nur ein Versehen seitens der inkompetenten Gutachter (oder wohl besser: Schlechtachter?) aus dem fernen Siegburg. Da es mühsam ist, solche Grundstücke einigermaßen rentabel zu bewirtschaften und anhaltend zu pflegen, freuten wir uns anfangs über die Möglichkeit, für gewisse Verbesserungen einen städtischen Zuschuss im Rahmen der Stadtsanierung zu erhalten. Daraus konnte aber, trotz redlicher Bemühungen, nichts werden, da die „Spielregeln“ für ein solches Verfahren so angelegt waren, dass bei einem Ortstermin unser Antrag von einer Dame aus dem fernen Bergland mit spitzen Fingern, vorwurfsvollen Blicken und Ausrufen quasi zerrissen wurde. Das liegt nun schon ein paar Jahre zurück, aber die damals geplanten Arbeiten sind bis heute nicht ausgeführt.
Und dann kam dieses Neubauprojekt der Wirtschaftsförderungs- und Wohnungsbaugesellschaft (in dieser Reihenfolge!), der WWG, direkt nebenan. Über die jahrelange Lärmbelästigung müssen wir uns hier ebenso wenig auslassen wie über die an unserem Haus und Garten entstandenen Schäden, wobei das Gröbste durch zähes Verhandeln finanziell etwas, wenn auch nicht angemessen, ausgeglichen werden konnte. Ob der Neubau nebenan zu den „Sanierungsmaßnahmen“ gehört, weiß man nicht so recht. Die WWG hätte ihre egoistische Baumaßnahme wohl sowieso unternommen, auch unter einem anderen Etikett. Es ist aber bekannt, dass ein Mitglied dieser weitgehend städtischen Wirtschaftsfirma überhaupt die ganze unglückliche Sanierungsgeschichte angestoßen hat. Mit minimalem Erfolg und viel Ärger.
Der Neubau jedenfalls widerspricht massiv den vorgeblichen Zielen der Stadtsanierung, zu denen eine Begrünung der Altstadt und Entsiegelung der Höfe gehörte. Wo vorher über 60 % Grün stand, hat der Neubau vielmehr zu rund 95 % Beton- und Kieswüste geführt. Er verletzt seitdem durch seine modisch-zeitgeistige Fassade das schöne, anheimelnde alte Straßenbild der Hauptstraße, bedient aber die WWG mit modernen Büros und ein paar hochpreisigen Wohnungen für Betuchte.
Doch zurück zu unserem „Haus im Rebstock“ (das kunstvolle Rebenrelief ist zur Zeit durch unser Protestplakat verdeckt). Dass hier sanierungsmäßig nichts Positives geschehen ist, wurde gesagt. Nun ist das Grundstück aber für eine historische Altstadt verhältnismäßig groß. Das gesamte Ensemble, also auch der große Garten, ist denkmalgeschützt, wodurch es den üblichen Immobilienmarkt-“Gesetzen“ nicht unterworfen ist. Statt für dieses dubiose städtische Verfahren, wie jetzt gefordert, um fast 4.000 € gemolken zu werden, stünde uns vielleicht eher ein Umweltförderpreis zu, denn dies ist wirklich eine der wenigen „grünen Lungen“ der Altstadt.
Dem ironischerweise „Ausgleichsbetrag“ genannten Forderungsbetrag der Stadt steht keinerlei realisierbarer Bodenmehrwert gegenüber, obwohl gerade das die Voraussetzung dafür wäre, dass glückliche Eigentümer das unverdiente Sanierungsgeschenk „ausgleichen“. Im Gegenteil: Die Altstadt insgesamt und unsere Nachbarschaft wurde erheblich herabgewirtschaftet und „verhässlicht“, weswegen eigentlich ein umgekehrter Ausgleichsbetrag fällig wäre, der die vielen geschädigten Eigentümer wenigstens symbolisch für Qualitätsverluste, Geschäftssterben und Grünvernichtung entschädigen würde!
Schlechte Karten für uns? Oh ja!
Wenn auch der alte, geschützte „Stadtgarten“ noch abgeholzt werden soll, wie die WWG und ihre Abnicker im Stadtrat es aktuell durchzudrücken versuchen, sieht es für uns und unsere Altstadt nicht gut aus. Andererseits ist Wahljahr und damit die nur alle fünf Jahre wiederkehrende demokratische Gelegenheit, dass wir Bürger wenigstens etwas zählen:
it‘s time for change: real, serious and lasting.
Königswinter-Altstadt, im August 2020
Barbara Pikullik & Dr. Arndt Wigger